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Brief
Objectdescription:Brief
Autor:
Brehm, Reinhold (Sohn Christian Ludwig und Bertha Brehms, Bruder Alfred E. Brehms)
Datum:13.04.1857
Measurements:Teil (Blatt 1): Breite: 322,000 mm; Höhe: 226,000 mm
Teil (Blatt 2): Breite: 160,000 cm; Breite: 226,000 cm
Bei diesem Objekt handelt es sich um einen Brief, der am 13.04.1857 von Reinhold Brehm von Murcia aus an seinen Vater Christian Ludwig Brehm nach Renthendorf geschickt wurde. Er ist auf zwei Blatt Papier verfasst. Eines davon hat durch mittige Faltung 4 Seiten, ein zweites Blatt ist nur halb so groß und zweiseitig.

In diesem Brief schreibt Reinhold Brehm:
"Murcia, am 2. Ostertag 1857

Theuerster Vater !
Eure lieben Briefe erhielte ich heute am schönen Osterfeste; mit großem Bedauern habe ich daraus ersehen, d[a]ß Thekla so krank gewesen ist; hoffentlich wird sich ihr Zustand gebessert haben, sollte dieß nicht der Fall sein, so würde ich jedenfalls rathen Fritz Siebert zu consultiren.
Leidet sie noch an Krämpfen, so kann sie beilieg. Pillenrecept sich anfertigen lassen u. die Medicin 3-4 Wochen gebrauchen.
Im Übrigen ist es Euch gut ergangen u. dieß freut mich sehr. Gern hätte ich die Osterwoche zu Haus bei Euch zugebracht, denn die hies. Processionen, die ich Euch weiter u. beschreiben will, kommen mir gar zu götzendianarisch vor u. ich kann nicht begreifen, wie vernüftige Menschen daran Gefallen finden können. Aus Politik spreche ich hier nicht darüber, sondern ziehe meinen Hut wie jeder Katholik.
Ich habe mich Gott sei Dank bis daher immer wohl befunden und bin vollkommen zufrieden mit dem herrlichen Klima dieser schönen Provinz.
Meine medicinische Thätigkeit hat sich auch zu meiner Zufriedenheit gestaltet; ich bin erst 5 Wochen hier u. wie überall so muß ich natürl. auch hier die ersten Monate Geduld haben. Ich habe sehr viel zu thun, allein bis jetzt meist mit armen Leuten. Manchen Tag habe ich 30 u. mehr Rezepte verschrieben, ohne Etwas zu nehmen. Ich habe mich näml. so eingerichtet: Arme Leute bezahlen Nichts; wohlhabende für 1 Rezept in meinen Hause 1 Gulden, für 1 dergl. mit Visite 2 Gulden oder 1 Duro. Weniger als 1 Gulden nehme ich nicht, eher schreibe ich es umsonst. Durch die Armenpraxis bekome ich einen Ruf in der ganzen Huerta u. das ist was ich wünsche.
Verdient habe ich in den 5 Wochen - d. h. mit dem was ich außenstehen habe aber bekome ungefähr 60 Duro, davon habe ich die Kiste an Wollmars Agenten bezahlt, habe mir Stiefeln etc. machen lassen u. bezahle im Wirtshause. Von Operationen habe ich 9 Oberschenkel- u.
{S. 2} 1 Oberarm Amputation gemacht u. mit Glück; es waren arme Menschen u. so konnte ich Nichts nehmen; morgen, so Gott will, mache ich die Operation der Necrose d.h. ich entferne ein [gestrichen: z] ungefähr 5 Zoll langes Knochenstück aus dem Knochen des Oberschenkels; [gestrichen: es ist] an einem Mädchen von 17 Jahren, die weder Vater noch Mutter hat, also auch Nichts bezahlt. Ebenso besuche ich morgen 1 Meile von hier einen Kranken, der einen Hydrarthrus im Kniegelenk hat, ich mache mit ihm einen Contract u. er muß für die Kur 200 Duro zahlen, denn er ist reich, thut er es nicht so nehme ich ihn nicht in Behandlung. Dieß ist mein Verfahren. Arme umsonst, Reiche müssen zahlen.
In einem Dorfe, was ungefähr 4000 Einw. hat, habe ich mehrere Kranke, von denen wenigstens 3 zahlen müssen, d. h. für den Besuch 2 Duro ; so oft ich dahin komme [gestrichen: ist ...] halte ich förml. Klinik, d. h. es komen die Kranken (hauptsächl. Augenkranke) des Dorfes u. ich habe oft 20 - 25 abzufertigen.
Am Charfreitag ritt ich früh 5 Uhr dahin um 2 Kranke zu sehen u. um 9 U. wieder in Murcia zu sein, allein bis 11 Uhr hatte ich Rezepte zu schreiben. In dem Dorfe selbst wohnt ein Arzt, allein die Praxis habe ich jetzt faßt ganz in den Händen. In der Nähe de Dorfes horsten Geyer, Ich habe bei den Leuten Eier bestellt. 2 Anstände haben sie mir in die Erde gegraben u. neben dieselben schaffen sie aus Murcia die gefallenen Thiere. Bis jetzt habe ich noch nicht Zeit zur Jagd gehabt, jetzt werde ich aber jeden Freitag Abend dahin gehen, die Nacht dort in einen Hause schlafen, Abends auf Caprimulg. ruficoll. u. Eulen jagen, Sonnabend früh Geyer u. Mittwoch nach Murcia zurück um meine hies. Kranken zu sehen.
{S. 3} Hatte ich am Charfreitag mein Gewehr mit so konnte ich einen herrl. alten Lämmergeier vom [es folgt ein gestrichenes Wort] Pferde schießen, er kreiste ganz niedr. über mir. Da ich vermuthe, d[a]ß er in der Nähe in den steilen Felsen horstet, will ich nach dem Horste suchen lassen um womögl. das Paar zu schießen. ich will Dir lieber Vater, schon eine schöne Sammlung zusamenbringen; der Graf vom Thal hat bei allen seinen Pächtern u. Jägern bestellt, d[a]ß sie mir Vögel liefern. Um Johannis jagt man die Pteroiles, von diesen werde ich so viel präpariren als mögl., es ist Pt. arenarius; ebenso von Caprim. ruficoll., alle Raubvögel, Sylvien etc.
Sobald der Graf, der jetzt für 14 Tage nach Madrid ist, zurückkehrt, gehe ich mit ihm ans Mar menor um Phoenicocopt. zu jagen; natürl. muß ich imer meine Zeit im Auge haben, denn die Medicin steht oben an.
Elstern gibt es hier fast gar nicht, kann ich aber welche schießen, so geschieht es; ebenso samle ich jetzt Käfer, Schmetterlinge, Amphibien Fledermäuse etc. etc. Mit Eiern verspreche ich wenig; Saxicola cacchinans, Pyrg. petron., einige Sylvien, vielleicht auch Geyer werde ich erlangen können, ebenso Girlitze, allein ich samle blos für Dich u. für Ried, für weiter keinen Menschen. -
Murcia ist jetzt paradiesisch schön, Orangen u. Rosen in herrlichster Blüthe; die Baumblüthe seit 14 Tagen vorüber. Die Gerste hatte schon vor 14 Tagen Ähren; der Flachs wird geerntet, allein das Schöne ist in hiesiger Vega, d[a]ß man 4 u. 5 Erndten hat, somit die Vega imer grün ist.
Die Seidenraupenzucht ist jetzt in vollem Glanze. Der Duft der Orangenblüthen erfüllt die ganze Stadt.-
Der Graf v. Thal, mein intimer Freund, denn ich bin mehr mit ihm befreundet, als z. B. mit Guirag will mit mir eine Reise nach Deutschland machen, verdiene ich mir so viel, daß ich in kurzer Zeit meine
{S. 4} sämmtl. Schulden bezahlen u. die Reisekosten erübr. kann, so kome ich ein Mal nach Haus.
Mein Examen gedenke ich im Juni zu machen, wenn ich bis dahin so Viel erübrigt.
Jetzt fehlen mir vor Allem Instrumente, z. B. zur Staar-, zur Schiel- Operationen, zu Resectionen etc., habe ich diese, so soll es fest ans Operiren gehen. Ich habe nach Paris geschrieben u. angefragt, wie viel mich die nothwendigsten Instrumente kosten werden. In diesen Tagen erwarte ich Antwort.
Am 15 April. Gestern habe ich in Oyayarez die Operation gemacht; ich habe ein 4 ½ Pariser Zoll langes, röhrenförm. Knochenstück aus dem unteren Theile des Oberschenkels entfernt. Die Operation war zieml. schwierig, da mir Instrumente fehlten mußte ich mit einem Tischlermeisel operieren; Knochenzangen lieh mir ein Zahnarzt, Russe von Nation, fast der Einzige der Deutsch spricht. Er selbst u. noch 3 Andere wohnten der Operation bei, um das Chloroformiren zu besorgen u. mir zu assistiren. Da ich den Knochen noch am Kniegelenk, unmittelbar über der großen Schenkelarterie entfernen mußte, so war große Vorsicht nöthig; ¾ St. dauerte die ganze Operation. Meine Assistenten versicherten mir, d[a]ß sie nie Jemand mit so großer Ruhe hätten arbeiten sehen, wie mich u. ich kann allerdings offen gestehen, d[a]ß ich mit derselben Ruhe gearbeitet habe, wie an einen Cadaver; wegen der Nähe der Arterie mußte ich viel mit dem gekröpften Bruchmesser arbeiten. Heute früh war der Bruder der Operierten hier u. sagte mir, daß die Kranke sehr gut geschlafen u. sich ganz wohl befinde. Hoffentl. gibt mir der liebe Gott seinen Segen, daß die Operation, an die sich kein Chirurg wagte, gut ausfällt.
Sobald ich Instrumente besitze, solls tüchtig ans Operiren gehen; Staaroperationen habe ich mehrere vor u. da ich allerdings eine ganz ruhige Hand habe, so hoffe ich sollen sie gut ausfallen.
Von Büchern, die ich freilich gern bald haben möchte, fehlen mir vor Allen meine Operationslehre, ein kleines Buch, welches ich erst vor. Jahr gekauft;
{S. 5} 2.) meine Hefte; sie sind in einer 1½ Elle langen, 1 Elle breiten Kiste, entweder im Alkofen neben der Eierkamer, oder im sog. Käfterchen, oder auf dem Boden. Möglicher Weise kannst Du sie auch mit Vögeln bedeckt haben. Ich habe sie unbedingt nöthig, da ich Rieds Heft über Chirurgie zur Ausarbeit. einer Chirurgie in span. Sprache höchst nöthig brauche.
3.) Ein Werk über Chirurgie ( Ried wird das Beste von Nr. 3 + 4, u. 5 angeben)
4.) Augen u. Ohrenheilkunde.
5) Auscultation- u. Percussion.
Sehr gern hätte ich noch
6.) Virchows Patholog. u. Therapie
7.) Rombergs Nervenkrankheiten
8.) Eine pathalog. Anatomie. -
Sehr nöthig ferner
9.) Deutsche Klinik, med. Zeitschrift vom vor. u. von dies. Jahre, erscheint in Berlin.
10.) Prager Vierteljahresschriften vom vor. Jahre
11.) Preußsch. Medicinalkalender ( letzterer kostet ½ rl) da die Buchhändler doch mit der Bezahlung ¾ J. credidieren so können wir sie bis dahin schon bezahlen. -
Der Director der hies. sehr reichen Minen, ein Bergmann der in Freiberg studirt, ist lange auf den Phillippinen gewesen u, hat eine schöne Samlung Vögel u. Käfer mitgebracht. Mit ihm habe ich einen Contract gemacht; ich stopfe ihm die Vögel aus u. erhalte die Hälfte, die ich Dir dann sende. Ebenso will will er mir Käfer u. Schnecken geben. -
Braun, an den ich Käfer durch dich gesandt, hat mir sowenig wie Rudolf Reiz geschrieben; an Ersteren sende ich Nichts wieder, Letzterer erhält keinen Brief mehr. Ich hatte Braun gebeten an Ried Käfer zu senden, weis aber nicht , ob er es gethan. -
{S. 6} Was nun meine Stellung hier anlangt, so will ich sehen, ob sie sich in 4 - 5 Monaten so gestaltet, d[a]ß ich hier bleibe; ist es nicht der Fall, so gehts weiter vielleicht nach der Havannah; so viel steht fest, d[a]ß ich nicht eher nach Deutschland zurückkehre, als bis ich eine gute Stellung im Auslande habe. - Murcia würde ich nur ungern verlassen, denn nicht allein, d[a]ß ich hier sehr viele Bekannte habe, sondern auch des herrl. Klimas wegen. Es ist meiner Ansicht nach eine der schönsten Provinzen Süd- Europas. Die fruchtbarste ist es entschieden. -
Im Wirtshause gedenke ich nicht lange mehr zu wohnen , sobald ich den Wirth an einer Hydrocele operiert , wofür er 50 Duros blechen muß, ziehe ich in ein Privathaus, wahrscheinlich mit dem Militärgouverneur hies. Provinz (meiner Behörde , da wir Ausländer unter Militärgericht stehen, was sehr vorteilhaft ist) einem mir sehr befreundeten Mann. Wir miethen uns ein Haus für uns; seine Ordonanz kann die Bedienung sein, wodurch ich 1 Diener erspare. -
Wenn Hl. Theophron mir manchmal einen Hieb geben möchte, so ist mirs gleich, wir wollen in Jahresfrist, so Gott will, sehen wer mehr Kranke behandelt, wer mehr Operationen gemacht hat, er oder ich. Ich bin [es folgt ein gestrichenes Wort] mit meiner Lage jetzt eigentl. ganz zufrieden; ich wohne in einem der schönsten Länder, habe Aussicht eine gute Praxis zu bekomen, bin in den ersten Familien des vornehmen, stolzen Adels eingeführt u. werde sehr gut behandelt, kann etwas Tüchtiges für die Naturwissenschaften leisten etc., was kann ich mehr wünschen?
Für heute, lieber Vater, lebe recht wohl, Gott erhalte dich gesund, grüße meine Bekannten u. behalte lieb
Deinen gehorsamen Sohn
Reinhold Brehm"

Neben den mit Tusche geschriebenen Zeilen Reinhold Brehms trägt der Brief mehrere runde Stempel mit der Inventarnummer der Gedenkstätte (damals Brehm-Gedächtnisstätte) sowie auf S. 1 und 5 oben links in Papierprägung ein ovales Zeichen mit einem Löwen in der Mitte und Umschrift: GOSALVEZ VILALGORDO DEL JUCAR.

workID: 1297


Photographer: Stefan Curth

Picturerights: Brehm-Gedenkstätte